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Antisemitismusbericht für die Deutschschweiz 2019 / Rapport sur l’antisémitisme en Suisse alémanique 2019

Translated Title

Anti-Semitism Report for German-speaking Switzerland 2019

Publication Date

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Abstract

Im Berichtsjahr 2019 blieb die Schweiz zum Glück von schweren physischen Angriffen auf Jüdinnen und Juden verschont – dies im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa, wobei der traurige Höhepunkt sicherlich der Anschlag im deutschen Halle war. Dieser zeigte erneut mit grosser Deutlichkeit, dass Polizei und Nachrichtendienste die rechtsextreme Gefahr streng beobachten und mit aller Deutlichkeit bekämpfen müssen.

In der Schweiz kam es im Jahr 2019 zu zahlreichen Beschimpfungen und Schmierereien mit antisemitischem Hintergrund. Diese wurden dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG gemeldet oder konnten durch Medienberichterstattung oder eigene Recherchen erfasst werden. Weiterhin ist von einer markant hohen Dunkelziffer auszugehen, da viele Betroffene Vorfälle oftmals nicht melden, womit diese keinen Eingang in den Bericht finden können. Die Plattformen mit der höchsten Zahl antisemitischer Vorfälle bleiben weiterhin generell das Internet und spezifisch soziale Medien wie Facebook und Twitter. Weitverbreitet ist noch immer der klassische stereotypenbezogene Antisemitismus. Der israelbezogene Antisemitismus und abstruseste antisemitische Verschwörungstheorien sind aber auf dem Vormarsch. Beide bestätigen die Theorie des «Judenhasses als Chamäleon»: Antisemitismus und seine fortwährende Anpassung an aktuelle Bedingungen und Diskurse in Gesellschaft und Politik.

Gerade Verschwörungstheorien sind heute besonders populär und haben ihren Ursprung in den unterschiedlichsten Milieus. Die Gefahr, die von diesen Theorien ausgeht, darf unter keinen Umständen unterschätzt werden. Gerade die rechtsextremen Attentäter von Pittsburgh im Oktober 2018, von Christchurch im März 2019, von Poway im April 2019 und von Halle im Oktober 2019 waren alle Anhänger von antisemitischen Verschwörungstheorien. Alle begründeten ihre Attentate mit der sogenannten «Replacement Theory». Diese besagt, dass die alles beherrschenden Juden die europäische, weisse Bevölkerung durch arabische und afrikanische Einwanderer ersetzen wollten. Sie versuchten auch eine neue Mischrasse zu erschaffen, die von minderer Intelligenz sei und so besser kontrolliert werden könne.

Was uns allen immer wieder bewusst werden muss: Auf Worte können Taten folgen. Für gewisse Menschen erscheinen selbst die abwegigsten und wirrsten Verschwörungstheorien wahr. Dementsprechend irrational können daher auch ihre daraus abgeleiteten Handlungen sein. Durch die zunehmende Verbreitung von Verschwörungstheorien und ihr Mitschwingen in scheinbar harmlosen Diskursen wird diesen weiter Glaubwürdigkeit und Legitimität verschafft, was wiederum zu einer stärkeren Verbreitung führt. Das ist eine beunruhigende und auch gefährliche Entwicklung, der Einhalt geboten werden muss. Alle – Zivilpersonen, Politiker oder Lehrpersonen – sind dazu angehalten, solchen Theorien entschieden entgegenzutreten: sei es mittels Counterspeech (Widerspruch oder Gegenrede), Präventionsmassnahmen an Bildungseinrichtungen sowie durch politisches Engagement und schlichter Zivilcourage. Ganz gezielt muss zudem die Verbreitung solcher Theorien eingedämmt werden. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube sich aktiv daran beteiligen, Lösungen für einen Verbreitungsstopp in den sozialen Medien zu suchen.

Translated Abstract

In 2019, the Swiss Federation of Jewish Communities (SIG) registered 38 antisemitic incidents (excluding online ones). They included nine cases of verbal abuse and seven involving graffiti. There were no reports of assault or property damage. A total of 485 online incidents, i.e. on social media and in newspaper comment columns, were reported. In addition, there is an unknown number of unreported incidents.

Based on content, a distinction was made between four different categories: general antisemitism (152 incidents), Holocaust denial or trivialization (18), Israel-related antisemitism (163) and modern-day antisemitic conspiracy theories (190). There continues to be a boom in antisemitic conspiracy theories, in particular. The most varied and absurd theories emerge, some of them interlinked. All of them ultimately point to a supposed “Jewish world conspiracy” The
recent attacks by right-wing extremists in Pittsburgh, Christchurch, Poway, and Halle show just how dangerous these theories are. Their instigators all cited the antisemitic “Replacement Theory” as the justification for their actions. This demonstrates the grave real-world consequences that the dissemination of and interest in conspiracy theories can have.

Over 90 percent of the recorded online incidents occurred on the social media platforms Facebook and Twitter. Just a tiny percentage came from the comment columns on Swiss media websites. This is presumably due to stepped-up efforts to check external comments prior to publication.

Topics

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Note

For reports on antisemitism in French-speaking Switzerland, search for "Coordination intercommunautaire contre l’antisémitisme et la diffamation (CICAD)"

Link

Organisation homepage, antisemitismus.ch

Bibliographic Information

Antisemitismusbericht für die Deutschschweiz 2019 / Rapport sur l’antisémitisme en Suisse alémanique 2019. Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund – Fédération suisse des communautés israélites, GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. 2020:  https://archive.jpr.org.uk/object-1374