Juden in Deutschland nach 1945. Bürger oder "Mit" Bürger?
Jews in Germany after 1945: Citizens or "Fellow" Citizens
Editorial:
Die hier veröffentlichten Beiträge erschienen zuerst 1998 und 1999 in 'TRIBÜNE. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums' anlässlich des 60. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Zu Beginn des NS-Terrors hatte mehr als eine halbe Million Juden in Deutschland gelebt. Nach der Befreiung im Mai 1945 waren es noch etwa 12 000.
Die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Juden wurde in Umfragen stets viel zu hoch geschätzt. Statt der konstanten Zahl von 30 000 lagen die Angaben zumeist zwischen Hunderttausenden und Millionen. Auch die deutsche Einheit änderte nichts an der Zahl der Juden in Deutschland, denn in den wenigen jüdischen Gemeinden in der DDR hatte es nur knapp 350 Mitglieder gegeben. Erst die 1990 einsetzende Zuwanderung von Juden aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion belebte und veränderte die überalterte jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Heute leben hier etwa 75 000 Juden.
Lange Zeit bezeichneten sich Juden, die in Deutschland lebten, nicht als 'deutsche Juden', sondern beharrten darauf, unverändert auf den berühmten 'gepackten Koffern' zu sitzen. Das gewachsene Vertrauen in die deutsche Demokratie, ihre Verbundenheit mit den Städten, in denen sie leben, sowie das beispielhafte Bekenntnis von Ignatz Bubis, er sei 'deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens', machten Deutschland für viele zu einer neuen Heimat. Nicht selten wird aber leider dieses neu gewachsene Gefühl durch antisemitische Hetze und die unüberlegte, grundsätzlich ausgrenzende Bezeichnung von Juden als 'jüdische Mitbürger' ins Wanken gebracht. Deshalb reagierte Bubis in einem seiner letzten Gespräche mit TRIBÜNE auf den Zustand zwischen Akzeptanz und Diskriminierung mit den Worten ?Erschütterungen sind zu überstehen.
Jüdisches Leben in Deutschland wird hierzulande und im Ausland, besser gesagt: weltweit vor allem zu Gedenktagen, nach rechtsradikalen Ausschreitungen oder antisemitischen Vorfällen registriert. Obwohl es vielfältige Bemühungen gibt, sich in Politik und Gesellschaft mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen, blieben und bleiben die jüdische Geschichte, die Entwicklung der Gemeinden sowie die facettenreiche kulturelle und vielschichtige soziale Situation der Nachkriegsjahre, aber auch der Gegenwart ein Buch mit sieben Siegeln. Die Situation der Juden im einstigen "Land der Täter" ist jedoch auch ein Stück Geschichte der vor 50 Jahren gegründeten Bundesrepublik.
Mit kompetenten Beiträgen namhafter Autorinnen und Autoren versuchen wir in diesem Sammelband, das jüdische Leben nach dem Holocaust aufzufächern, das mittlerweile Bestandteil der demokratischen Gesellschaft geworden ist. Es geht um jüdische Überlebende und ihren Wunden, von Identitätsproblemen und Antisemitismus, aber auch um die jüdische Jugend, um Religion und jüdisches soziales Engagement, um osteuropäische Einwanderer - und schließlich werden einige exemplarische Gemeinden in Ost- und Westdeutschland porträtiert.
Wir möchten Nichtjuden in Deutschland wie auch in anderen Ländern helfen, einen Blick auf jüdische Befindlichkeiten und die Hoffnungen der Juden in Deutschland 55 Jahre nach Ende des Holocaust an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, zu werfen.
Inhalt:
9 Vorwort
11 Editorial
I Neuanfang nach der Schoah
14 Ignatz Bubis, Erschütterungen sind zu überstehen
25 Hanno Loewy, Jüdische Existez in Deutschland
35 Michael Brenner, Epilog oder Neuanfang
45 Robert Guttmann, Ohne Anfang und ohne Ende
II Vergangenheit und Gegenwart
54 Wolfgang Benz, Reaktionen auf den Holocaust
64 Kirsten Serup-Bilfeldt, Warum der kleine Ochs sterben musste
69 Heiner Lichtenstei,n NS-Prozesse
77 Ulrich Renz, Das Recht auf den Pass
81 Rainer Erb, Klischees über >>gute<< und >>böse<< Juden
86 Henryk M. Broder, Der Vordenker als Wegdenker
90 Alphons Silbermann, Was bedeutet >>Auschwitz<< heute?
III Ost und West
98 Andreas Nachama, Ost und West
108 Hanna Struck, Juden in Mecklenburg-Vorpommern
118 Lothar Mertens, Optimistische Erwartungen
124 Ursula Homann, Juden in Hessen
134 Roberto Fabian Ein Erbe als Herausforderung
146 Ludger Heid Jüdische Gemeinden im Ruhrgebiet
154 Herzs Krymalowski Perspektiven entwickeln
162 Christophe Baginski Ignoranz oder Wohlwollen?
IV Religion und Soziales
166 Moritz Neumann Gemeinschaft oder Gemeinde?
176 Benjamin Bloch Zedaka - die Gerechtigkeit
186 Dalia Moneta Displaced People
199 Rachel Heuberger Jüdische Jugend in Deutschland
209 Willi Jasper/Bernhard Vogt Integration und Selbstbehauptung
221 Elena Solomonski Akzeptanz oder Emanzipation?
V Kultur
234 Leibl Rosenberg Jüdische Kultur in Deutschland heute
244 Cilly Kugelmann Jüdische Museen in Deutschland
251 Susanne Urban-Fahr Jüdische Presse - Juden in der Presse
263 Joseph Deih Jüdische Studien in Deutschland
279 Anneliese Rabun Gestaltung und Ausdruck
Die hier veröffentlichten Beiträge erschienen zuerst 1998 und 1999 in 'TRIBÜNE. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums' anlässlich des 60. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Zu Beginn des NS-Terrors hatte mehr als eine halbe Million Juden in Deutschland gelebt. Nach der Befreiung im Mai 1945 waren es noch etwa 12 000.
Die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Juden wurde in Umfragen stets viel zu hoch geschätzt. Statt der konstanten Zahl von 30 000 lagen die Angaben zumeist zwischen Hunderttausenden und Millionen. Auch die deutsche Einheit änderte nichts an der Zahl der Juden in Deutschland, denn in den wenigen jüdischen Gemeinden in der DDR hatte es nur knapp 350 Mitglieder gegeben. Erst die 1990 einsetzende Zuwanderung von Juden aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion belebte und veränderte die überalterte jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Heute leben hier etwa 75 000 Juden.
Lange Zeit bezeichneten sich Juden, die in Deutschland lebten, nicht als 'deutsche Juden', sondern beharrten darauf, unverändert auf den berühmten 'gepackten Koffern' zu sitzen. Das gewachsene Vertrauen in die deutsche Demokratie, ihre Verbundenheit mit den Städten, in denen sie leben, sowie das beispielhafte Bekenntnis von Ignatz Bubis, er sei 'deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens', machten Deutschland für viele zu einer neuen Heimat. Nicht selten wird aber leider dieses neu gewachsene Gefühl durch antisemitische Hetze und die unüberlegte, grundsätzlich ausgrenzende Bezeichnung von Juden als 'jüdische Mitbürger' ins Wanken gebracht. Deshalb reagierte Bubis in einem seiner letzten Gespräche mit TRIBÜNE auf den Zustand zwischen Akzeptanz und Diskriminierung mit den Worten ?Erschütterungen sind zu überstehen.
Jüdisches Leben in Deutschland wird hierzulande und im Ausland, besser gesagt: weltweit vor allem zu Gedenktagen, nach rechtsradikalen Ausschreitungen oder antisemitischen Vorfällen registriert. Obwohl es vielfältige Bemühungen gibt, sich in Politik und Gesellschaft mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen, blieben und bleiben die jüdische Geschichte, die Entwicklung der Gemeinden sowie die facettenreiche kulturelle und vielschichtige soziale Situation der Nachkriegsjahre, aber auch der Gegenwart ein Buch mit sieben Siegeln. Die Situation der Juden im einstigen "Land der Täter" ist jedoch auch ein Stück Geschichte der vor 50 Jahren gegründeten Bundesrepublik.
Mit kompetenten Beiträgen namhafter Autorinnen und Autoren versuchen wir in diesem Sammelband, das jüdische Leben nach dem Holocaust aufzufächern, das mittlerweile Bestandteil der demokratischen Gesellschaft geworden ist. Es geht um jüdische Überlebende und ihren Wunden, von Identitätsproblemen und Antisemitismus, aber auch um die jüdische Jugend, um Religion und jüdisches soziales Engagement, um osteuropäische Einwanderer - und schließlich werden einige exemplarische Gemeinden in Ost- und Westdeutschland porträtiert.
Wir möchten Nichtjuden in Deutschland wie auch in anderen Ländern helfen, einen Blick auf jüdische Befindlichkeiten und die Hoffnungen der Juden in Deutschland 55 Jahre nach Ende des Holocaust an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, zu werfen.
Inhalt:
9 Vorwort
11 Editorial
I Neuanfang nach der Schoah
14 Ignatz Bubis, Erschütterungen sind zu überstehen
25 Hanno Loewy, Jüdische Existez in Deutschland
35 Michael Brenner, Epilog oder Neuanfang
45 Robert Guttmann, Ohne Anfang und ohne Ende
II Vergangenheit und Gegenwart
54 Wolfgang Benz, Reaktionen auf den Holocaust
64 Kirsten Serup-Bilfeldt, Warum der kleine Ochs sterben musste
69 Heiner Lichtenstei,n NS-Prozesse
77 Ulrich Renz, Das Recht auf den Pass
81 Rainer Erb, Klischees über >>gute<< und >>böse<< Juden
86 Henryk M. Broder, Der Vordenker als Wegdenker
90 Alphons Silbermann, Was bedeutet >>Auschwitz<< heute?
III Ost und West
98 Andreas Nachama, Ost und West
108 Hanna Struck, Juden in Mecklenburg-Vorpommern
118 Lothar Mertens, Optimistische Erwartungen
124 Ursula Homann, Juden in Hessen
134 Roberto Fabian Ein Erbe als Herausforderung
146 Ludger Heid Jüdische Gemeinden im Ruhrgebiet
154 Herzs Krymalowski Perspektiven entwickeln
162 Christophe Baginski Ignoranz oder Wohlwollen?
IV Religion und Soziales
166 Moritz Neumann Gemeinschaft oder Gemeinde?
176 Benjamin Bloch Zedaka - die Gerechtigkeit
186 Dalia Moneta Displaced People
199 Rachel Heuberger Jüdische Jugend in Deutschland
209 Willi Jasper/Bernhard Vogt Integration und Selbstbehauptung
221 Elena Solomonski Akzeptanz oder Emanzipation?
V Kultur
234 Leibl Rosenberg Jüdische Kultur in Deutschland heute
244 Cilly Kugelmann Jüdische Museen in Deutschland
251 Susanne Urban-Fahr Jüdische Presse - Juden in der Presse
263 Joseph Deih Jüdische Studien in Deutschland
279 Anneliese Rabun Gestaltung und Ausdruck
Post-1989 Post-War Reconstruction Jewish Identity Jewish Community German-Jewish Relations Main Topic: Other
978-3000051692
Juden in Deutschland nach 1945. Bürger oder "Mit" Bürger?. . 1999: https://archive.jpr.org.uk/object-ger150