Antisemitismus in Deutschland. Eine Repräsentativbefragung
Antisemitism in Germany. A representative survey
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 3.028 antisemitische Straftaten erfasst. Dies ist der höchste jemals gemessene Wert seit Beginn der Erfassung in der polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2001. Allerdings handelt es sich bei dieser Zahl nur um einen Ausschnitt, da sich das Problem des Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft nicht allein auf Straftaten reduzieren lässt. So wichtig es natürlich ist, dass jede antisemitische Straftat entschlossen und mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten verfolgt wird, muss der Kampf gegen Judenhass in einem breiten Kontext verstanden und adressiert werden. Denn die antisemitischen Vorfälle sind Ausdruck und Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Klimas, in welchem antisemitische Stereotype und Ressentiments weit verbreitet und akzeptiert sind. Neben den Straftaten kommt eine große Zahl antisemitischer Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze hinzu, wie sie der Bundesverband der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) jährlich in seinem Bericht dokumentiert. Zudem gilt es zu bedenken, dass sowohl die Straftaten als auch die von RIAS dokumentierten Vorfälle nur jene sind, die zur Anzeige gebracht beziehungsweise gemeldet wurden. Die European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) kam im Jahr 2018 im Rahmen einer Befragung von Jüdinnen und Juden in zwölf europäischen Ländern zu dem Ergebnis, dass überhaupt nur 20 Prozent der Betroffenen antisemitische Straftaten zur Anzeige bringen oder anderweitig melden. Es ist also davon auszugehen, dass die Dunkelziffer nochmals erheblich höher ist.
Aufgrund dieser Erkenntnisse hat das American Jewish Committee (AJC) das Institut für Demoskopie Allensbach (IFD) mit der vorliegenden repräsentativen Umfrage beauftragt.
Und die Ergebnisse sind erneut ein Grund zur Sorge. Zwar zeigen die Daten nicht, dass antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung stark zugenommen haben, dennoch bestätigen sie, dass ein beachtlicher Teil der deutschen Bevölkerung antisemitische Stereotype und Ressentiments teilen, wie es seit Jahren konstant in anderen Umfragen nachgewiesen wurde. Dabei haben wir auch untersuchen lassen, wie verbreitet diese Einstellungen unter den Wählerinnen und Wählern der sechs im Bundestag vertretenen Parteien sind. Die Ergebnisse verdeutlichen abermals, dass Antisemitismus nicht allein ein Problem der politischen Ränder ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft tief verankert ist. Hier sind deshalb ausnahmslos alle demokratischen Parteien gefordert, diese Realität anzuerkennen und entsprechend zu handeln. Auch deswegen können wir nur davor warnen, dass das Thema Antisemitismus als Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen genutzt wird. Die demokratischen Parteien sollten es vielmehr als ihre Aufgabe begreifen, über sonstige politische Differenzen hinaus zusammenzustehen und Antisemitismus gemeinsam entschlossen zu bekämpfen.
Im Gegensatz zu vielen bisherigen Studien haben wir im Rahmen dieser Untersuchung auch die Einstellungen von Musliminnen und Muslimen in Deutschland abgefragt. Ausschlaggebend waren hierbei nicht zuletzt die antisemitischen Ausschreitungen hierzulande im Mai 2021 während der israelischen Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen den Raketenbeschuss der islamistischen Terrororganisation Hamas. Wenngleich es in der Vergangenheit immer wieder zu antisemitischen Ausschreitungen vor dem Hintergrund derartiger Auseinandersetzungen gekommen ist, so waren jene im vergangenen Jahr nicht nur erheblich gewalttätiger, sondern es zogen zum ersten Mal anti-israelische Demonstrationen in verschiedenen Städten gezielt vor Synagogen. Nur das Eingreifen der Polizei, wenn auch zum Teil verspätet, konnte Schlimmeres verhindern. Im Zuge dieser Proteste kam es zu zahlreichen antisemitischen Vorfällen, Bedrohungen und körperlichen Angriffen. Allerdings hat sich die quantitative Sozialforschung, zumindest in Deutschland, diesem Phänomen bisher nur unzureichend gewidmet. Dies ist umso überraschender, da in der bereits erwähnten Studie der FRA befragte Jüdinnen und Juden in Deutschland auf die Frage, welchem Spektrum sie den schlimmsten antisemitischen Vorfall, der ihnen in den letzten 5 Jahren widerfahren ist, zuordnen, mit 41 Prozent die Täterinnen und Täter als „Someone with a Muslim extremist view“ angaben. Unter den zwölf befragten Ländern war dies der höchste Wert in dieser Kategorie. Und die Ergebnisse der vorliegenden Umfrage bestätigen, dass antisemitische Stereotype und Ressentiments in dieser Bevölkerungsgruppe durchgängig deutlich stärker vertreten sind als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wie die Umfrage aber auch belegt, bedeutet dies selbstredend nicht, dass Antisemitismus allein ein Problem der muslimischen Community ist. Allerdings kann dieses immense Problem auch nicht ausgeblendet werden, wenn der Kampf gegen Antisemitismus erfolgreich sein soll.
Aufgrund dieser Erkenntnisse hat das American Jewish Committee (AJC) das Institut für Demoskopie Allensbach (IFD) mit der vorliegenden repräsentativen Umfrage beauftragt.
Und die Ergebnisse sind erneut ein Grund zur Sorge. Zwar zeigen die Daten nicht, dass antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung stark zugenommen haben, dennoch bestätigen sie, dass ein beachtlicher Teil der deutschen Bevölkerung antisemitische Stereotype und Ressentiments teilen, wie es seit Jahren konstant in anderen Umfragen nachgewiesen wurde. Dabei haben wir auch untersuchen lassen, wie verbreitet diese Einstellungen unter den Wählerinnen und Wählern der sechs im Bundestag vertretenen Parteien sind. Die Ergebnisse verdeutlichen abermals, dass Antisemitismus nicht allein ein Problem der politischen Ränder ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft tief verankert ist. Hier sind deshalb ausnahmslos alle demokratischen Parteien gefordert, diese Realität anzuerkennen und entsprechend zu handeln. Auch deswegen können wir nur davor warnen, dass das Thema Antisemitismus als Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen genutzt wird. Die demokratischen Parteien sollten es vielmehr als ihre Aufgabe begreifen, über sonstige politische Differenzen hinaus zusammenzustehen und Antisemitismus gemeinsam entschlossen zu bekämpfen.
Im Gegensatz zu vielen bisherigen Studien haben wir im Rahmen dieser Untersuchung auch die Einstellungen von Musliminnen und Muslimen in Deutschland abgefragt. Ausschlaggebend waren hierbei nicht zuletzt die antisemitischen Ausschreitungen hierzulande im Mai 2021 während der israelischen Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen den Raketenbeschuss der islamistischen Terrororganisation Hamas. Wenngleich es in der Vergangenheit immer wieder zu antisemitischen Ausschreitungen vor dem Hintergrund derartiger Auseinandersetzungen gekommen ist, so waren jene im vergangenen Jahr nicht nur erheblich gewalttätiger, sondern es zogen zum ersten Mal anti-israelische Demonstrationen in verschiedenen Städten gezielt vor Synagogen. Nur das Eingreifen der Polizei, wenn auch zum Teil verspätet, konnte Schlimmeres verhindern. Im Zuge dieser Proteste kam es zu zahlreichen antisemitischen Vorfällen, Bedrohungen und körperlichen Angriffen. Allerdings hat sich die quantitative Sozialforschung, zumindest in Deutschland, diesem Phänomen bisher nur unzureichend gewidmet. Dies ist umso überraschender, da in der bereits erwähnten Studie der FRA befragte Jüdinnen und Juden in Deutschland auf die Frage, welchem Spektrum sie den schlimmsten antisemitischen Vorfall, der ihnen in den letzten 5 Jahren widerfahren ist, zuordnen, mit 41 Prozent die Täterinnen und Täter als „Someone with a Muslim extremist view“ angaben. Unter den zwölf befragten Ländern war dies der höchste Wert in dieser Kategorie. Und die Ergebnisse der vorliegenden Umfrage bestätigen, dass antisemitische Stereotype und Ressentiments in dieser Bevölkerungsgruppe durchgängig deutlich stärker vertreten sind als im Bevölkerungsdurchschnitt. Wie die Umfrage aber auch belegt, bedeutet dies selbstredend nicht, dass Antisemitismus allein ein Problem der muslimischen Community ist. Allerdings kann dieses immense Problem auch nicht ausgeblendet werden, wenn der Kampf gegen Antisemitismus erfolgreich sein soll.
In 2021, 3,028 anti-Semitic crimes were recorded in Germany. This is the highest value ever measured since police crime statistics began to be recorded in 2001. However, this number is only an excerpt, since the problem of anti-Semitism in German society cannot be reduced to criminal offenses alone. As important as it is of course that every anti-Semitic crime is prosecuted with determination and with all legal possibilities, the fight against Jew hatred must be understood and addressed in a broad context. Because the anti-Semitic incidents are the expression and result of a general social climate in which anti-Semitic stereotypes and resentments are widespread and accepted.report documented. It is also important to remember that both the criminal offenses and the incidents documented by RIAS are only those that have been reported. In a 2018 survey of Jews in twelve European countries, the European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) came to the conclusion that only 20 percent of those affected report anti-Semitic crimes to the police or otherwise report them. It can therefore be assumed that the number of unreported cases is considerably higher.
Based on these findings, the American Jewish Committee (AJC) commissioned the Institute for Public Opinion Allensbach (IFD) with the present representative survey.
And the results are again a cause for concern. Although the data do not show that anti-Semitic attitudes in the population have increased significantly, they do confirm that a considerable part of the German population shares anti-Semitic stereotypes and resentments, as has been consistently demonstrated in other surveys for years. We also had it examined how widespread these attitudes are among the voters of the six parties represented in the Bundestag. The results make it clear once again that anti-Semitism is not just a problem on the political fringes, but is deeply rooted in the middle of society. Therefore, all democratic parties without exception are called upon to recognize this reality and act accordingly. For this reason we can only warn that the topic of anti-Semitism is used as the subject of party-political disputes. Rather, the democratic parties should see it as their task to stand together beyond other political differences and to jointly and resolutely combat anti-Semitism.
It is hardly surprising that anti-Semitic attitudes are particularly widespread among voters for the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD) . That is why it is important for us to emphasize at this point that the statements made by this party to protect Jewish life and the supposed solidarity with the State of Israel are purely tactical in nature. This is already evident from the fact that no other party represented in the Bundestag spreads anti-Semitic conspiracy myths as part of its political communication.
In contrast to many previous studies, we also asked about the attitudes of Muslims in Germany as part of this study. The decisive factor here was not least the anti-Semitic riots in Germany in May 2021 during Israeli self-defense measures against rocket fire from the Islamist terrorist organization Hamas. Although anti-Semitic riots have repeatedly occurred against the background of such clashes in the past, not only were they considerably more violent last year, but anti-Israeli demonstrations in various cities were targeted in front of synagogues for the first time. Only the intervention of the police, albeit sometimes belatedly, was able to prevent worse from happening. These protests saw numerous anti-Semitic incidents, threats and physical attacks. However, quantitative social research, at least in Germany, has so far only insufficiently addressed this phenomenon. This is all the more surprising given the already mentionedA study by the FRA asked Jews in Germany to which spectrum they assigned the worst anti-Semitic incident that had happened to them in the last 5 years, with 41 percent the perpetrators as "Someone with a Muslim extremist view" declarations. This was the highest value in this category among the twelve countries surveyed. And the results of the present survey confirm that anti-Semitic stereotypes and resentments are consistently much more strongly represented in this population group than in the population average. However, as the survey also shows, this of course does not mean that anti-Semitism is solely a problem for the Muslim community. However, this immense problem cannot be ignored if the fight against anti-Semitism is to be successful.
Based on these findings, the American Jewish Committee (AJC) commissioned the Institute for Public Opinion Allensbach (IFD) with the present representative survey.
And the results are again a cause for concern. Although the data do not show that anti-Semitic attitudes in the population have increased significantly, they do confirm that a considerable part of the German population shares anti-Semitic stereotypes and resentments, as has been consistently demonstrated in other surveys for years. We also had it examined how widespread these attitudes are among the voters of the six parties represented in the Bundestag. The results make it clear once again that anti-Semitism is not just a problem on the political fringes, but is deeply rooted in the middle of society. Therefore, all democratic parties without exception are called upon to recognize this reality and act accordingly. For this reason we can only warn that the topic of anti-Semitism is used as the subject of party-political disputes. Rather, the democratic parties should see it as their task to stand together beyond other political differences and to jointly and resolutely combat anti-Semitism.
It is hardly surprising that anti-Semitic attitudes are particularly widespread among voters for the right-wing extremist Alternative for Germany (AfD) . That is why it is important for us to emphasize at this point that the statements made by this party to protect Jewish life and the supposed solidarity with the State of Israel are purely tactical in nature. This is already evident from the fact that no other party represented in the Bundestag spreads anti-Semitic conspiracy myths as part of its political communication.
In contrast to many previous studies, we also asked about the attitudes of Muslims in Germany as part of this study. The decisive factor here was not least the anti-Semitic riots in Germany in May 2021 during Israeli self-defense measures against rocket fire from the Islamist terrorist organization Hamas. Although anti-Semitic riots have repeatedly occurred against the background of such clashes in the past, not only were they considerably more violent last year, but anti-Israeli demonstrations in various cities were targeted in front of synagogues for the first time. Only the intervention of the police, albeit sometimes belatedly, was able to prevent worse from happening. These protests saw numerous anti-Semitic incidents, threats and physical attacks. However, quantitative social research, at least in Germany, has so far only insufficiently addressed this phenomenon. This is all the more surprising given the already mentionedA study by the FRA asked Jews in Germany to which spectrum they assigned the worst anti-Semitic incident that had happened to them in the last 5 years, with 41 percent the perpetrators as "Someone with a Muslim extremist view" declarations. This was the highest value in this category among the twelve countries surveyed. And the results of the present survey confirm that anti-Semitic stereotypes and resentments are consistently much more strongly represented in this population group than in the population average. However, as the survey also shows, this of course does not mean that anti-Semitism is solely a problem for the Muslim community. However, this immense problem cannot be ignored if the fight against anti-Semitism is to be successful.
Antisemitism: Attitude Surveys Antisemitism: Far right Antisemitism: Muslim Antisemitism Main Topic: Antisemitism Surveys
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Antisemitismus in Deutschland. Eine Repräsentativbefragung. . 2022: https://archive.jpr.org.uk/object-3664