Antisemitismus in Deutschland: Notwendige Differenzierungen in der Migrationsgesellschaft
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Antisemitism in Germany: Necessary differentiations in a migration society
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Aktuell wird in Deutschland vermehrt über die Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen sowie die Entwicklung der Anzahl registrierter Straftaten und Gewaltvorfälle mit antisemitischem Hintergrund diskutiert. Die Daten des Hellfelds der polizeilich registrierten, politisch motivierten Kriminalität (PMK) verweisen insofern auf Anstiege registrierter, antisemitisch motivierter Straftaten. Opferberatungsstellen berichten gleichfalls über Zunahmen der Meldungen betroffener Opfer. Seitens des zuständigen Bundesinnenministeriums wird insoweit auch der Antisemitismus bei in Deutschland lebenden Menschen mit muslimischer Religionszugehörigkeit besonders in den Blick genommen. Differenzierte Analysen, die über das registrierte Hellfeld hinaus die Frage einer besonderen Belastung von Migrant:innen oder Muslim:innen mit Blick auf die Verbreitung entsprechender Einstellungen untersucht haben, sind bislang allerdings nur begrenzt verfügbar. Die Klärung dieser Frage erscheint sowohl für die Konzeption zielgerichtete Formen der Prävention als auch für die Gestaltung politisch-rechtlicher Interventionen zur Reduzierung von Antisemitismus in Deutschland relevant. Im folgenden Artikel wird auf Grundlage der Daten einer im Jahr 2022 durchgeführten bundesweit repräsentativen Befragung mit n=4 319 Personen untersucht, wie verbreitet unterschiedliche Formen antisemitischer Vorurteile in Deutschland sind. Der Umstand, dass diese Erhebung große Oversamples muslimischer Migrant:innen einerseits sowie nichtmuslimischer Migrant:innen anderseits enthält, wird genutzt, um auf einer breiten Datenbasis auch die Frage zu verfolgen, inwieweit migrationsspezifische Hintergründe für Antisemitismus erkennbar sind bzw. ob diesbezüglich religionsbezogene Besonderheiten mit Blick auf Menschen muslimischen Glaubens bestehen. Die Ergebnisse verweisen darauf, dass – auch nach statistischer Kontrolle der Effekte soziodemografischer Merkmalen sowie von Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen – unter in Deutschland lebenden Muslim:innen signifikant erhöhte Raten antisemitischer Einstellungen festzustellen sind. Es sind allerdings ganz erhebliche Binnendifferenzen zu beachten. Es sind vier gut unterscheidbare religiöse Orientierungsmuster bei Muslim:innen identifizierbar, für die sich im Hinblick auf das Ausmaß antisemitischer Einstellungen große Unterschiede zeigen. Implikationen dieser Befunde für die Politik sowie für die Praxis der Prävention von Antisemitismus werden erörtert.
Translated Abstract
Currently, there is increasing discussion in Germany about the prevalence of anti-Semitic prejudices and the development of the number of registered crimes and incidents of anti-Semitic motivated violence. The police crime statistics indicate an increase in the number of registered anti-Semitic crimes. Victim counseling centers also report increases in the number of victims affected in this regard. The ministry of interior is paying particular attention to anti-Semitism among people of Muslim faith living in Germany. However, research examining this particular question based on representative data on attitudes, that go beyond the official crime statistics, are scarce. This is especially true when examining whether there are migration-specific forms and causes of anti-Semitism for certain subgroups of the population in Germany. Nonetheless, answers to these questions are important for the design of preventive efforts and for political and legal interventions against anti-Semitism. In the following article, the prevalence of anti-Semitic prejudices in Germany is analyzed based on data of a recent nationally representative survey conducted in 2022 with n=4 319 persons. The fact that this survey contains large oversamples of Muslim and non-Muslim migrants is used to pursue whether migration-specific causes of anti-Semitism are discernible and what role religion-related characteristics play in this context. Results of multivariate data analyses indicate that after statistically controlling for the effects of sociodemographic variables and migration-related experiences of discrimination and marginalization, significantly higher rates of anti-Semitism can still be found among Muslims living in Germany. Furthermore, there are strong correlations between anti-Semitism and religious orientation patterns. Implications of these findings for policy and especially for prevention of anti-Semitism are discussed.
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9(3)
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Link to article (paywalled), Antisemitismus in Deutschland: Notwendige Differenzierungen in der Migrationsgesellschaft
Bibliographic Information
Antisemitismus in Deutschland: Notwendige Differenzierungen in der Migrationsgesellschaft. 2023: https://archive.jpr.org.uk/10.5771/2365-1083-2023-3-346