Der Antisemitismus der Anderen: Für eine differenzierte Betrachtung antisemitischer Einstellungen unter Muslim:innen in Deutschland
The anti-semitism of the others: towards a differentiated view of anti-semitic attitudes among Muslims in Germany
Bereits seit einigen Jahren schwelt eine Diskussion über einen neuen Antisemitismus. Im Fokus dieser Debatten finden sich immer häufiger Einwanderer:innen, vor allem aber Muslim:innen wieder. Als Folge kam der Begriff eines islamisierten Antisemitismus auf. Schnell wurden diese Diskussionen zu einem Politikum. Rechtsextreme Akteure wie die Alternative für Deutschland griffen die Hinweise auf Antisemitismus unter Muslim:innen auf und instrumentalisierten diese für ihre antimuslimische Agenda. Diese Instrumentalisierung wiederum macht es Menschen, die sich gegen antimuslimische Diskriminierung einsetzen, schwer, die Existenz eines muslimischen Antisemitismus anzuerkennen. Anhand unterschiedlichen empirischen Materials untersucht dieser Beitrag die Prävalenz antisemitischer Ressentiments unter Muslim:innen und wie diese mit der Persistenz von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigen, dass traditionelle Formen des Antisemitismus und insbesondere israelbezogener Antisemitismus unter Muslim:innen besonders akzentuiert ausfällt. Der Antisemitismus, in muslimischen Submilieus, stellt neben dem ethnonationalen, rechtsextremen Antisemitismus eine Bedrohung für Jud:innen in Deutschland dar. Der Antisemitismus unter Muslim:innen stützt sich sowohl auf Narrative, die aus ihren Herkunftsländern stammen, sowie auf religiöse Quellen. Allerdings ist der Antisemitismus unter Muslim:innen in Deutschland geringer ausgeprägt als in den meisten Gesellschaften der islamischen Welt. Darüber hinaus sind schuldverleugnende Artikulationen von Antisemitismus nach wie vor ein Markenzeichen der autochthonen Bevölkerung und rechter politischer Milieus. Antisemitismus in Deutschland bedarf daher eines differenzierteren Verständnisses, als es noch vor wenigen Jahren notwendig erschien.
For some years now, there has been a discussion about a new anti-Semitism. The focus of these debates is increasingly on immigrants, but above all on Muslims, and thus there is now talk about an Islamized anti-Semitism. These discussions quickly became a political issue. Right-wing extremist actors such as the Alternative for Germany seized on the evidence of anti-Semitism among Muslims and instrumentalized it for their anti-Muslim agenda. This instrumentalization, in turn, makes it difficult for people working against anti-Muslim discrimination to acknowledge the existence of anti-Semitism among Muslims. Using a variety of empirical material, this article examines the prevalence of anti-Semitic resentment among Muslims and how it relates to the persistence of anti-Semitism in German society. The results show that traditional forms of anti-Semitism, and in particular Israel-related anti-Semitism, are particularly accentuated among Muslims. Together with ethnonational, right-wing extremist anti-Semitism, anti-Semitism among Muslim submilieus poses a threat to Jews in Germany. Anti-Semitism among Muslims draws on narratives from their countries of origin and on religious sources. However, anti-Semitism among Muslims in Germany is less pronounced than in most societies in the Islamic world. Moreover, guilt-denying articulations of anti-Semitism remain a hallmark of the autochthonous population and right-wing political milieus. Anti-Semitism in Germany therefore requires a more nuanced understanding than seemed necessary just a few years ago
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Der Antisemitismus der Anderen: Für eine differenzierte Betrachtung antisemitischer Einstellungen unter Muslim:innen in Deutschland. 2021: https://archive.jpr.org.uk/https://doi.org/10.1007/s41682-021-00078-w