Abstract: As pandemic restrictions intensified in Western Europe, so too did a wave of COVID-related
antisemitism and Islamophobia, proliferating on social media. Considering antisemitism and
Islamophobia as joint and intersecting phenomena, this report investigates the ways in which,
eighteen months after the start of the pandemic, anti-Jewish and anti-Muslim narratives continue to be created, spread and accessed on social media. Through interviews with thirteen Jewish
and Muslim community leaders, subject-area experts and representatives of inter-governmental
organisations, this report presents not only the key trends both on and offline, but they ways in
which they have impacted the targeted communities, and the ability of Jews and Muslims in
Western Europe to live and practice their religion threat-free. This research makes ten key recommendations for social media companies, governments and civil societies, in order to urgently
address the spiralling radicalisation which is evidenced throughout this report.
Abstract: „Zionisten“, „Satanisten“, „Transhumanisten“ und die „Pharmamafia“ würden durch „Sterilisation und Mord per Todesspritze“ […] „die absolute Kontrolle jedes Einzelnen und die Auslöschung weiterer Teile der Bevölkerung“ herbeiführen. Denn hinter Corona stecke „der feuchte Traum von einer kommunistischen Weltmacht“, nämlich der Zweck der „Umstrukturierung der Welt in eine neue Ordnung, kurz NWO (New World Order, Anm. RIAS Bayern. Vgl. Glossar, → NWO)“.
Dies sagte eine Rednerin auf einer Kundgebung sogenannter Coronarebellen in Nürnberg am 27. Juni 2020. Der Frau zufolge sollen durch Impfungen Menschen weltweit mit Nanochips überwacht, sterilisiert und getötet werden. Abschließend befand sie: „Ja, das muss man auch mal ganz klar benennen dürfen, oder?“
Zwar mögen solche Erzählungen meist abstrus und verrückt wirken, sie sind jedoch in ihren potentiellen Konsequenzen ernst zu nehmen. Selbstverständlich existierten auch vor der Coronapandemie Verschwörungserzählungen. Jedoch haben sie sich auch in Bayern verstärkt verbreitet, nachdem im Frühjahr 2020 Menschen, die sich als Coronarebellen oder Querdenker bezeichnen, begannen, gegen tatsächliche und imaginierte
staatliche Maßnahmen im Zuge der Coronakrise zu protestieren.
Nicht zuletzt in den sozialen Medien verbreiten sich Verschwörungserzählungen in Wort und Bild zunehmend rasanter und erreichen im Zuge der „Corona-Proteste” auch immer mehr Menschen, die vor der Pandemie wenig verschwörungsideologisch geprägt waren. Laut einer repräsentativen Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung vom Juli 2020 glauben 16 Prozent der Einwohner:innen in Deutschland, dass Bill Gates allen Menschen Mikrochips einpflanzen wollen würde. Antisemitische Einstellungen sind in Deutschland weit verbreitet. Laut einer repräsentativen Umfrage des Jüdischen Weltkongresses (WJC) von 2019 behaupten 28 Prozent
der sogenannten Elite (laut Studie Hochschulabsolvent:innen mit einem Jahreseinkommen von mindestens 100.000 Euro), Juden hätten zu viel Macht in der Wirtschaft. 26 Prozent attestieren Juden „zu viel Macht in der Weltpolitik“. Fast die Hälfte von ihnen (48 Prozent) behauptet, Juden verhielten sich loyaler zu Israel als zu Deutschland. Der
WJC ließ dafür zweieinhalb Monate vor dem Anschlag auf die Synagoge in Halle an Yom Kippur 2019 1300 Menschen befragen.
Diese Broschüre der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern soll über Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit Antisemitismus aufklären. Was sind Verschwörungserzählungen und was haben sie mit Antisemitismus zu tun? Warum sind sie für bestimmte Menschen attraktiv? Wie kann man ihnen begegnen? Ab Seite 18 findet sich ein ausführliches Glossar zu gängigen Verschwörungserzählungen mit von
RIAS Bayern dokumentierten Beispielen.
Abstract: In der polnischen Kleinstadt Pruchnik schleiften Menschen an Karfreitag 2019 eine Strohpuppe durch die Straßen, hängten sie an einen Mast, schlugen, köpften und zündeten sie an. Die Puppe war mit Hakennase und orthodox-jüdischer Kopfbedeckung und Haartracht entsprechend stereotyper antisemitischer Vorstellungen gestaltet. Sie trug die Bezeichnung „Judas 2019“. Der Brauch dient der symbolisch-rituellen „Bestrafung“ der biblischen Figur Judas Iskariot für seinen Verrat an Jesus Christus und reicht mindestens bis in das 18.Jahrhundert zurück. Der Vorfall in Pruchnik sorgte für internationales Aufsehen. Der World Jewish Congress (WJC) übte Kritik und auch die katholische Kirche distanzierte sich.1 Allerdings finden sich vergleichbare Rituale nicht allein in Pruchnik, sondern auch in vielen anderen Gegenden der Welt: in Griechenland, in Spanien, in Lateinamerika – und auch in Deutschland, mit besonderem Schwerpunkt in Bayern. Auch hier wird an den Kartagen, meistens zu Karsamstag, ein Osterfeuer angezündet, das oft „Judasfeuer“ oder „Jaudus“ genannt wird. Häufig werden auch hier Puppen, wenn auch ohne stereotype „jüdische“ Merkmale, angezündet. Weshalb dieser Brauch in Bayern dennoch antisemitisch ist, welchen historischen Hintergrund er hat und wo genau in Bayern er besonders häufig auftritt, ist Gegenstand dieses Berichts.