Abstract: Was bleibt, wenn die Zeuginnen und Zeugen der nationalsozialistischen Verbrechen gestorben sein werden? Seit Jahren ist diese Frage in allen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und pädagogischen Debatten über den Umgang mit der NS-Geschichte präsent. Was bleibt, sind die Zeugnisse, die Überlebende in ganz unterschiedlicher Form abgelegt haben: ihre Berichte, ihre literarischen, musikalischen und bildnerischen Verarbeitungen, ihre lebensgeschichtlichen Erzählungen, ihre Zeugenaussagen vor Gericht. Sie vermitteln eindrücklich die Auswirkungen und Schrecken der nationalsozialistischen Verfolgung. Aber sind sie Garanten dafür, dass die spezifische Erfahrungsgeschichte der NS-Opfer auch künftig in der öffentlichen Erinnerungskultur und in der Bildung bewahrt werden wird? Welchen Stellenwert haben sie in der Geschichtsforschung zu Nationalsozialismus und Holocaust? Und wie lassen sie sich in der Bildungspraxis am besten einsetzen? Die Veranstaltungsreihe „Entdecken und Verstehen. Bildungsarbeit mit Zeugnissen von Opfern des Nationalsozialismus“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) ist diesen Fragen nachgegangen. In fünf Seminaren wurden neueste Forschungsergebnisse sowie konkrete Bildungsmodule zu den wichtigsten Zeugnisformen vorgestellt und diskutiert. Die Resultate der Reihe sind in diesem Band dokumentiert
Abstract: In der Debatte über die vergangenen 20 Jahre, das Ende der DDR und den Neubeginn BRD sucht man fast vergebens einen originären jüdischen Beitrag. Unser kleines, durch die Rosa Luxemburg Stiftung gefördertes und im Wellhöfer-Verlag Mannheim erschienenes Buch fasst nachdenkliche Texte über ein sich selbst organisierendes und verwaltendes jüdisches Vereinsleben zwischen 1989 und 2009 in Ost- und später Gesamtberlin exemplarisch zusammen. 14 JKV-Aktivisten und Sympathisanten erzählen auf 160 Seiten ihre Sicht auf nichtantagonistische Widersprüche, unglaubliche Zufälle und wechselnde Notwendigkeiten. Es geht um Erinnerungen, Einsichten, Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten Ehrenamt in Rück- und Vorschau, um Fotos, Dokumente, Auf- und Nachrufe, Chronik und beliebteste Kochrezepte. Lernend von und mit vor allem orthodoxen Rabbinern konnten viele Traditionen des nicht gelebten jüdischen All-, Fest- und Feiertags erfahren werden. Hunderte Referenten aus aller Welt teilten mit uns ihr Wissen. Altgewordene Sozialisten haben nicht nur ihre politische, sondern auch ihre jüdische Identität reflektiert. Die Ereignisse 1989/90 waren ein Auslöser, über NS-Verfolgung und Exil, Ideale, Stalinismus und Irrwege, deutsche und DDR-Geschichte und sich selber nachzudenken. Der JKV wurde zur Heimat für jüdische Antifaschisten und deren Nachfahren, zum Treffpunkt für ehemalige und heutige Emigranten, zur Betstube und zum intellektuellen linken Kulturhaus für alle Welt. Oft mischten wir uns treffsicher in den jüdischen und politischen Dialog ein. Verinnerlichte Solidarität führte am 12. Februar 1990 zur Aufforderung an die Modrow-Regierung, jüdischen Sowjetbürgern die bedingungslose Einwanderung in die DDR zu ermöglichen – das Dokument wird hier erstmals veröffentlicht. Nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 wurden wegen der spürbaren Islamfeindschaft Beziehungen zu Muslimen und deren Vereinen aufgenommen. Der JKV ist ein Gründungsmitglied des Migrationsrats Berlin Brandenburg.
Der Jüdische Kulturverein hat seine selbst gestellte Aufgabe weitgehend erfüllt. Er kann mit diesem Sammelband über seine Geschichte (ISBN 978-3-939540-43-4) abtreten, der Nachwelt stehen wir als Zeitzeugen zur Verfügung. Den „Schmoozeday on Tuesday“ für englischsprachige, nicht nur neue Berliner Jüdinnen und Juden, ist als unsere zeitgemäße Fortsetzung des Vereinslebens bereits etabliert.