Abstract: In der polnischen Kleinstadt Pruchnik schleiften Menschen an Karfreitag 2019 eine Strohpuppe durch die Straßen, hängten sie an einen Mast, schlugen, köpften und zündeten sie an. Die Puppe war mit Hakennase und orthodox-jüdischer Kopfbedeckung und Haartracht entsprechend stereotyper antisemitischer Vorstellungen gestaltet. Sie trug die Bezeichnung „Judas 2019“. Der Brauch dient der symbolisch-rituellen „Bestrafung“ der biblischen Figur Judas Iskariot für seinen Verrat an Jesus Christus und reicht mindestens bis in das 18.Jahrhundert zurück. Der Vorfall in Pruchnik sorgte für internationales Aufsehen. Der World Jewish Congress (WJC) übte Kritik und auch die katholische Kirche distanzierte sich.1 Allerdings finden sich vergleichbare Rituale nicht allein in Pruchnik, sondern auch in vielen anderen Gegenden der Welt: in Griechenland, in Spanien, in Lateinamerika – und auch in Deutschland, mit besonderem Schwerpunkt in Bayern. Auch hier wird an den Kartagen, meistens zu Karsamstag, ein Osterfeuer angezündet, das oft „Judasfeuer“ oder „Jaudus“ genannt wird. Häufig werden auch hier Puppen, wenn auch ohne stereotype „jüdische“ Merkmale, angezündet. Weshalb dieser Brauch in Bayern dennoch antisemitisch ist, welchen historischen Hintergrund er hat und wo genau in Bayern er besonders häufig auftritt, ist Gegenstand dieses Berichts.