Abstract: Der Beitrag vergleicht das Rigaer KGB-Museum, im Volksmund Eckhaus genannt, mit dem Rigaer Ghetto-Museum. Beide Museen sind zirka im gleichen Zeitraum (zwischen 2010 und 2016) entstanden bzw. erweitert worden und befinden sich an Originalschauplätzen. Beide Museen legen ein besonderes Augenmerk darauf darzustellen, welche Folgen die nationalsozialistische bzw. kommunistische Besatzung und Diktatur auf Lettland hatte. So beinhaltet das Rigaer Ghetto-Museum eine Ausstellung zum jüdischen Leben in Lettland vor 1941. Beide Ausstellungen legen großen Wert darauf, Zeugnisse von Überlebenden einzubeziehen. Da die Opfer des Rigaer Ghetto-Museums auch aus Deutschland und Österreich kamen, ist die Einbeziehung einer europäischen Perspektive hier vom Untersuchungsgegenstand vorgegeben. Die Europäisierung des Holocaustgedenkens wird auch anhand mehrerer Ausstellungsstücke, so zum Beispiel eines nachkonstruierten Zugwaggons, deutlich. Hingegen stellt das KGB-Eckhaus primär die lettische Geschichte aus: Der Fokus liegt auf den zivilen lettischen Opfern der kommunistischen Diktatur, die im Kellergefängnis des NKWD bzw. des KGB gefoltert wurden. Eine »Europäisierung« wird nur in Querverweisen zu anderen Museen deutlich, die ebenfalls die Geschichte der kommunistischen Diktatur ausstellen, wie z.B. das Haus des Terrors in Budapest.
Abstract: Der 1. Juni 2018 bedeutete eine Zäsur für die staatlichen Einrichtungen des Freistaats Bayern. Mit diesem Stichtag mussten Kreuze als Symbol »bayerischer Kultur«, so Ministerpräsident Söder, in den Foyers staatlicher Institutionen angebracht werden: Staatliche Symbolpolitik wurde für den öffentlichen Raum verordnet, für Museen wurde sie immerhin noch empfohlen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise von 2015 wird die Angst vor einem »importierten Antisemitismus« durch populistische Parteien in Deutschland wie in Österreich politisch verwertet. Gemeinsam mit dem Feindbild des »politischen Islam«, das sich mittlerweile auf alle Muslim_innen erstreckt, trug dies zu einem markanten Anstieg offenen Antisemitismus innerhalb der deutschen Gesellschaft bei. Populisten, die die Bevölkerung immer mehr in ein »wir« und »die anderen« spalten, die den Hass gegen Minderheiten politisch verwerten und Antisemitismus entweder klein reden oder ausschließlich jenen zuschreiben, die sie bekämpfen, haben Einzug in den politischen Mainstream gefunden. Jüdische Museen müssen heute auf diese Entwicklung antworten: Als Museum zur Geschichte einer Minderheit und als Ort, der sich zwangsläufig mit den Folgen von Antisemitismus und politisch motivierter Ausgrenzung auseinandersetzt, haben sie eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Dies bedeutet, dass sich jüdische Museen öffnen müssen, und zwar in mehrerer Hinsicht: 1. thematisch, wenn es darum geht, historischen und aktuellen Antisemitismus und dessen Folgen für die jüdische Bevölkerung zu thematisieren, 2. politisch, um gegen Populismus, rassistische Hetze und Instrumentalisierung von Religionen aufzutreten, und 3. räumlich, wenn es darum geht, nicht nur ein kulturell interessiertes Publikum, sondern die Stadtbevölkerung anzusprechen.
Abstract: Wenn Peter Sloterdijk Museen allgemein als »Schule der Befremdung« erkennt, wie ergeht es dann erst Besucherinnen und Besuchern von jüdischen Museen? Gehört jüdische Geschichte »zu uns« oder nicht? Ist jüdische Kultur Teil des »Eigenen« oder des »Anderen«? Jüdische Museen sind, um eine Formulierung von Zygmunt Baumann zu verwenden, konstitutiv »auf dem Zaun«, in einer prekären Lage der Ambivalenz, der Zweideutigkeit situiert. In Zeiten, in denen Identitätsdebatten in Europa mehr und mehr im Zeichen des Ausschluss des »Anderen« – und heute vor allem im Zeichen des Ausschlusses von Muslimen – stehen, werden Juden und jüdische Geschichte – aber auch der Staat Israel – auf andere Weise relevant als noch vor zwanzig Jahren. Der politische Mainstream, aber auch wachsende Teile der populistischen Rechten, sehen im »Jüdischen« nun offenbar das »gute Andere« Europas, das sich im neuen rassistischen Diskurs trefflich instrumentalisieren lässt. Der Druck auf jüdische Museen wächst, sich einer scheinbaren Eindeutigkeit zu verschreiben, die die neuen europäischen Identitätsdiskurse nicht länger stört.