Abstract: Das Konzept der Diaspora hat in den vergangenen Jahren in der akademischen Diskussion eine hohe Konjunktur erfahren. War der Bedeutungsgehalt des Begriffs historisch auf die klassischen Fälle von teils gewaltsamer Vertreibung, teils freiwilliger Neusiedlung der jüdischen und griechischen, sowie schließlich der armenischen Gemeinden beschränkt, so bezieht er sich inzwischen auf quasi alle außerhalb ihres ursprünglichen Territoriums lebenden ethnischen Gruppen (Tölölyan 1991). Dieser Schritt markiert einen sowohl theoretischen wie auch politischen Einschnitt, der in einem engen Zusammenhang mit den Debatten über die kulturellen Effekte der Globalisierung steht. Die Wiederkehr der Diaspora kann gewissermaßen als exemplarische Repräsentation einer Vergesellschaftungsform verstanden werden, die mit unseren nach wie vor territorial verorteten Kategorien bricht und in ihren transnationalen Bezügen die Grenzen eines „methodologischen Nationalismus“ (Beck 2004) aufzeigt. Das begriffliche Gegenüber der Diaspora bildet demzufolge der Nationalstaat. Anschließend an den postkolonialen Diskurs scheinen diasporische Gemeinschaften als alternative Entwürfe deterritorialisierter kultureller Identitäten auf, die im strikten Gegensatz zu nationalstaatlich organisierten Gesellschaften konstruiert sind (vgl. Appadurai 1994; Clifford 1997; kritisch dazu Anthias 1998). Wie ich im Folgenden zeigen möchte, übersieht diese behauptete Fundamentalopposition, dass und in welcher Weise Migrationspopulationen nach wie vor durch nationalstaatliche Regimes und deren institutionelle Zwänge gekennzeichnet sind. Im Unterschied zu einer Position, die insbesondere das kosmopolitische und grenzüberschreitende Potenzial von Diaspora-Gemeinschaften unterstreicht, will ich insofern gerade auf deren Einbettung in jeweils nationalstaatliche Rahmen verweisen, in und gegenüber denen die lokalen Diasporas ihre kulturelle Eigenständigkeit zu behaupten versuchen. Ein solches Vorgehen ist mit der migrationssoziologischen Annahme verknüpft, dass Einwanderung als Prozess aufzufassen ist, den sowohl die aufnehmende Gesellschaft als auch die Immigranten selbst strukturieren. Es handelt sich dabei nicht um einen symmetrischen Prozess, sondern um einen zu Lasten der Einwanderer ungleich gewichteten, denn diese müssen auf die politischen und symbolischen Ordnungsmuster Bezug nehmen, die in den verschiedenen Aufnahmegesellschaften maßgeblich sind (Bauböck 1992). Diesem Spannungsverhältnis soll am Beispiel der Migration russischsprachiger Juden nach Deutschland nachgegangen werden.