Abstract: In den Antworten zu den Faith Development Interviews (FDI), die seit 2003 von der Forschungsstelle zur Biographischen Religionsforschung der Universität Bielefeld durchgeführt werden, finden sich bei den beiden Fragen, die auffordern, das Böse in der Welt zu erklären und nach der Lösung für Konflikte zu suchen, die auf religiöser oder weltanschaulicher Uneinigkeit beruhen, häufig Rekurse auf den Nahostkonflikt. Beiden Fragen ist gemeinsam, dass sie darauf abzielen, anomische Phänomene, in denen die Ordnung des eigenen Lebens nicht mehr sinnvoll erfahren werden kann, zu erklären. Die Forschungsnotiz analysiert, welche Funktion der Bezug auf den Nahostkonflikt für die Welterklärung der Befragten hat und was mit diesen Bezügen plausibel gemacht werden kann: Erstens ermöglicht der Nahostkonflikt als Beispiel für einen unlösbaren Konflikt eine Vielzahl von Projektionen und schützt damit die Widerlegung des eigenen weltanschaulichen Problemlösungsideals. Zweitens unterstreicht die Identifikation der Konfliktpartei Israel mit dem Bösen die Funktion des israelbezogenen Antisemitismus als Welterklärung.