Abstract: Im Herbst 2008 warnte die Anti Defamation League wiederholt vor einem neuen Aufkeimen
des Antisemitismus im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und belegte ihre
Sorge durch eine Vielzahl von Artikeln in US-amerikanischen, südamerikanischen und
europäischen Printmedien und Internetforen, in denen in der Auseinandersetzung mit der
Krise mehr oder weniger offene antisemitische Ressentiments artikuliert wurden. Diese
reichten von traditionellen antisemitischen Stereotypen wie dem „raffgierigen Juden“ bis hin
zu Weltverschwörungstheorien, die auch durch eine spezifische Verknüpfung von
Antisemitismus, Antiamerikanismus und Israelfeindschaft gekennzeichnet sind.
Vor diesem Hintergrund starteten wir am Institut für Konfliktforschung, in Kooperation mit
dem Institut für Zeitgeschichte, im August 2009 eine Studie zu antisemitischen
Diskurselementen in den Debatten um die Krise in österreichischen Printmedien. Wie wird
die Krise generell dargestellt und unter welchen Bedingungen und thematischen Kontexten
tauchen antisemitische Versatzstücke in der Argumentation auf? Dies ist die
forschungsleitende Kernfrage, der wir uns in dem Projekt widmeten.
Da Antisemitismus weder als einheitliches noch als statisches Phänomen verstanden wird,
sind die Kontinuitäten und Diskontinuitäten der antisemitischen Stereotypenbildung und
deren Situierung in gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen und historischen Kontexten
von zentralem Belang. Denn selbst wenn sich antisemitische Stereotype in ihrem Inhalt und
ihrer Struktur innerhalb des letzten Jahrhunderts nicht grundsätzlich verändert haben mögen,
ist es für eine Analyse der Funktion und Struktur des Antisemitismus notwendig,
Veränderungen in den Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen Antisemitismus auftritt.
Nur eine solche Vorgehensweise erlaubt substantielle Konklusionen über das Verhältnis von
Antisemitismus und Politik/Gesellschaft/Ökonomie. So sind die gesellschaftspolitischen
Veränderungen der letzen drei Jahrzehnte, die sich auch in einem neoliberalen Diskurs
niederschlagen, ebenso von Bedeutung wie etwa die Transformationen des Nationalen im
Zuge der teilweisen Transnationalisierung von Politik und Verwaltung in der EU, welche
Auswirkungen auf den nationalistischen Diskurs zeitigen, der seinerseits häufig mit
Antisemitismus einhergeht.
Das Projekt verbindet eine gesellschaftstheoretische und historische Überblicksstudie über
Antisemitismus im spezifischen Zusammenhang ökonomischer Krisen, seine Artikulationsund Manifestationsformen sowie die Motivationen, die dahinter stehen, mit einer
diskursanalytischen Untersuchung eines ausgewählten Medienkorpus zur gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise. In den verschieden gelagerten Textsorten (Berichte,
Kommentare, Reportagen, LeserInnenbriefe, etc.) werden manifeste und latente
antisemitische Diskursstränge herausgestrichen und ihre Wirkungsmacht hinsichtlich der
gesamten Diskursstrategie analysiert. Da vor allem im Internet zum Teil unverhohlen
antisemitisch argumentiert wird, wurden über den Korpus an Printmedien hinaus auch
Forumsdiskussionen in Augenschein genommen und, eine davon genauer analysiert. Im
Zentrum dieses Projekts steht jedoch der Diskurs in den österreichischen Printmedien Kurier,
Die Presse, Der Standard, Neue Kronen Zeitung, profil, Format und News.
Ausgangsüberlegung für diese Herangehensweise ist, dass der in diesen Printmedien
„veröffentlichte Diskurs” eine Datensorte darstellt, die weite Teile in allen
Bevölkerungsschichten erreicht und dominante Deutungsmuster repräsentiert.
Abstract: Thema dieser Dissertation sind die Strukturverwandtschaften und gesellschaftlichen Funktionsähnlichkeiten von Antisemitismus und Antifeminismus. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf der gesamtgesellschaftlichen Makroebene, wo die Intersektionen sich sowohl über die Korrespondenzen als auch über die Eigenheiten und Differenzen beider Kategorien manifestieren. Aus der Perspektive soziologischer, politischer, ökonomischer und geistesgeschichtlicher Erklärungsansätze wird der Frage nachgegangen, wogegen sich Feindschaft und Abwehr im Antisemitismus und Antifeminismus richten und was der jeweilige Gehalt von Konstrukten des Jüdischen und des Weiblichen ist, die beide im Bereich des Phantasmagorischen und Ideologischen anzusiedeln sind. In sie geht die gesellschaftliche Vorstellung von Natur ebenso ein wie die Überhöhung von Stärke bei gleichzeitiger Abwertung von Schwäche.
Geschlechterbilder und -normen spielen dabei eine bedeutsame Rolle. Nach einer analytischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen, historischen, ökonomischen und politischen Fundierungsverhältnissen von Antisemitismus und Antifeminismus werden anhand des antisemitischen und frauenfeindlichen Bildarchivs der Moderne, zumal jenes des Fin de Siècle, die Intersektionen von Antisemitismus und Antifeminismus einer genaueren Betrachtung zugeführt. Auffallend sind vor allem die deutlich gegenderten und rassisierten Imagines des Juden und der Frau, denen gleichermaßen eine Transgression der Geschlechtergrenzen immanent ist.
Sie alle gruppieren sich um einen antiemanzipatorischen Gestus. Diese Imagines sind als performative Akte des Antisemitismus und des Antifeminismus zu fassen, und werden somit nicht bloß als Ausdruck diskriminierender und unterdrückender Diskurse und Strukturen der Gesellschaft analysiert,
sondern als diese Strukturen selbst beständig (re)produzierend. Sie tragen damit zu einer kaum mehr durchdringbaren weil verselbständigten Institutionalisierung von Antisemitismus und Antifeminismus bei. Dieser Institutionalisierung wird in einem Abschnitt über den Umgang mit dem Nationalsozialismus gesondert nachgegangen. Ein weiterer Abschnitt ist der Durchsetzung von Antisemitismus und Antifeminismus auf der Mikroebene des doing difference gewidmet, wo der erlebnisanalytische Aspekt von Juden- und Frauenfeindlichkeit anhand einer Auswertung qualitativer Interviews im Zentrum steht.
Abstract: In current political developments in Europe and the USA, it is striking that a strengthening of nationalism goes hand in hand with certain gender stereotypes, and often this discourse is also linked to moments of antisemitism. Using the example of the Austrian Freedom Party, this chapter analyses this mutual interplay of ideologies and elaborates in particular on the question of how and to what extent an antisemitism that is not expressed openly, can latently be effective in nationalism and antifeminism. Especially against the background of the taboo of manifest and racist antisemitism in the Western, post-national-socialist political public sphere in Germany and Austria, an analysis of this phenomenon is highly relevant. I call this phenomenon the intersectionality of ideologies. It can provide insight into whether antisemitism, as sometimes pretended, has actually been overcome, or whether it is not in fact effective within other ideologies, such as nationalism or antifeminism. The chapter will therefore focus on an analysis of the similarities of antisemitic and antifeminist discourses in the Austrian Freedom Party and their contribution to the strengthening of a nationalist collective.